Geschichte des Landgutes

Obwohl Gebiet Odziena bereits in alten Zeiten bewohnt war, worüber die archäologischen Funde zeugen, die aus der mittleren Eisenzeit (V – IXJh) stammen und in Verbindung mit der älteren Kultur der Letgallen stehen, 1455 erscheint der Name von Odziena- Odenze oder Odse – in den schriftlichen Geschichtsquellen zum ersten Mal. In diesem Jahr bekommt Bertram von Tiesenhausen das Erbe seines Vaters Engelbrecht – das 1449 geerbte Landgut Odziena. Das Gebiet hat er an seinen Bruder Johan verkauft, der als Besitzer von Odziena in den schriftlichen Quellen auch 1457 und 1460 erscheint.

Odziena war bis zum 1625 im Besitz der einflussreichen Adelsfamilie aus Vidzeme – von Tiesenhausen, als der König Schwedens Gustav II Adolf, der dieses, wie auch andere benachbarte Landgüter, wie Vietalva, an den Oberst Johan Reinhold Streiff von Lauenstein abgibt. Das ganze XVII Jh, als Vidzeme Bestandteil von Schweden ist, wie auch nach demGrossen Nordischen Krieg, als Vidzeme zum Bestandteil von Russland wird, ändern sich die Besitzer des Landgutes Odziena ziemlich oft, es wird von verschiedenen Vermietern verwaltet, somit ist es eher unwahrscheinlich, dass es Blütezeit des Landguts gewesen ist.

1744 hat die Kaiserin Russlands Elisabeth Petrowna das Landgut als Erbgut an ihren Feldmarschall Pjotr Schuwalow geschenkt, der aber ein Jahr später es an den vorherigen Mieter, Besitzer von Grostona, Majoren Engelbrecht Wilhelm von Brimmer verkauft. Landgut Odziena bleibt im Besitz der Familie Brimmer bis zur Agrarreform der Republik Lettland, die in den zwanziger Jahren des XX Jh stattfindet.

Blütezeit des Landgutes Odziena ist es, wenn das Zentrum des Landgutes mit dem stolzen Palast, Park und vielen Wirtschaftsgebäuden eingerichtet wird. Diese Zeit verbindet man mit Rudolf Friedrich Adrian von Brimmer (1809 – 1880), der das Landgut 1813 von seinem Vater geerbt hat und ein langes und fruchtbares Leben geführt hat. Er starb 1880 im Landgut Odziena; seine Ruhestätte ist die Familiengruft in Vietalva.

Die bedeutendste Leistung von Rudolf Friedrich Adrian von Brimmer ist der Aufbau des neuen Palastes, der heutzutage für eine der eindruckvollsten Gebäuden des neogotischen Stils in Lettland gehalten wird. Mit dem schlanken sechsstöckigen Turm ist es eine wundervolle Ergänzung der Landschaft von Vidzeme und lädt die Reisenden aus Nah und Fern zur Gast ein. Das gotische Gebäude ist bei der Umbau des vorherigen, am XVIII Jh erbauten Holz-Mauer-Landgutgebäudes entstanden und ist nach einem Projekt des deutschen Architekten J.Held (Identifikation des Architekten zur Zeit noch hypothetisch) aufgebaut worden, der Mitte des XIX Jh Bauarbeiten von Kirchen und Brücken in Ilūkste, Sece, Ērberģe und in anderen Ortschaften geleitet hat.

In den Unruhen von 1905 wurde der stolze Palast abgebrannt. Obwohl die Familie von Brimmer mit grosser Mühe die Erneuerungsarbeiten der Gebäude angefangen haben, Flüchtlingsströme des Ersten Weltkriegs liefen gerade durch das Zentrum des Landguts, zertrampelten die Getreidefelder, raubten das Inventar des Landgutes aus und brannten sämtliche Wirtschaftshäuser ab.Nach der Agrarreform der zwanziger Jahre hat das Landgut Odziena seinen Herrn verloren und ging langsam runter. Eine Zeit lang war es die Absicht der Molkereigenossenschaft Odziena, das Landgut in Besitz zu erwerben, „auf die Pracht der ehemaligen Adelsfamilien zu verzichten“ und es zur „Gemeinschaftsmolkerei mit Kuppeldecke und Milchverarbeitungsanlage, Büro, Mitarbeiterwohnungen, Bibliothek, Genossenschaftsladen umzubauen…“. Es blieb jedoch nur eine Vision.

In der Sowjetzeit wurde das Gebäude teils für öffentliche Bedürfnissen genutzt – es war ein Kulturhaus, Bibliothek, da waren Wohnungen drinnen. Mehrere Einwohner erinnern sich an die herrlichen, immer gut besuchten Jahresfeier und Ballabende.

Dank dem Unternehmungsgeist, Arbeitselan und Liebe zur Geschichte der neuen Landgutsbesitzer, ist es jetzt mit der Renovation des Landgutkomplexes angefangen. Das vorher so herabgesetzte Wirtshaus ist zum neuen Leben erstanden – seit 2012 ist dort ein Gasthaus (Krogusmāja), dort werden auch Feierlichkeiten gefeiert, Tische gedeckt; die Molkerei ist komplett erneuert worden, funktioniert jetzt als Brauhaus; auch Gärtnerhaus und Speicher sind erneuert worden. Der Palast kommt langsam zu seiner ehemaligen Pracht zurück – rechtes Flügel der Gebäude hat ein neues Dach, in den fünf renovierten Sälen wurden im Frühjahr 2015 bereits die ersten Hochzeiten gefeiert.